Bürgerversammlung 05.10.2015
Bürgerversammlung - oder Bürgermeistervortrag ?
Über hundert Bürger waren am 5.10.2015 zur Bürgerversammlung im Sportheim Kemmern gekommen, um sich über die Gemeindearbeit des vergangen Jahres und die zukünftigen Herausforderungen v.a. durch den ICE-Ausbau zu informieren.
Erfreuliches konnten Bürgermeister Rüdiger Gerst und AWO-Vorstand Werner Dippold zu Beginn der Sitzung vermelden. Kemmerns Bevölkerung stehe den mittlerweile 26 in Kemmern untergebrachten Flüchtlingen sehr positiv gegenüber und bringe sich überdurchschnittlich gut in die Integrationsarbeit ein. Es habe bisher keinerlei Probleme gegeben. Auf die Frage eines Bürgers hinsichtlich des hohen Anteils der Asylbewerber aus den Balkanstaaten betonte Werner Dippold, wie wichtig - ganz unabhängig von Migrationshintergrund und Bleibechancen - ein freundlicher, offener und unverkrampfter Umgang der Bürger mit den Asylbewerbern sei. Denn auch wenn existenzielle, wirtschaftliche Not später vielleicht nicht als Bleibegrund ausreiche, so sei sie dennoch ein ernst zu nehmender Fluchtgrund und habe nichts mit dem gerne zitierten "Asylmissbrauch" zu tun. Außerdem nähmen Flüchtlinge, die später wieder zurück in ihre Länder müssten, die erfahrene Freundlichkeit mit und könnten sie nutzen, um im Heimatland für Veränderungen zu sorgen. Auch räumte er mit dem leidigen Gerücht auf, dass Hauseigentümer, die Wohnraum für Asylbewerber zur Verfügung stellten, horrende Mieten kassieren würden und an der Not der Menschen verdienten. Sie erhielten lediglich marktübliche Mieten.
Vor diesem Hintergrund lobte er noch einmal das vorbildliche Verhalten der Kemmerner Bürger, die von sich aus das Gespräch mit der AWO gesucht haben. Rüdiger Gerst lud in diesem Zuge für Sonntag, 25.Oktober die Bevölkerung zu einem musikalischen Begegnungsfest im Pfarrheim ein. Die Veranstaltung beginnt um 14:30 Uhr und es wäre schön, wenn möglichst viele Bürger kämen.
Am Ende seines Vortrages teilte Herr Dippold noch mit, dass er in Kooperation mit der Gemeinde Kemmern ein Pilotprojekt für den Landkreis Bamberg plane, wo er auch um Unterstützung hoffe. Es geht um eine Kombination aus Pflegeeinrichtung, betreutes Wohnen und Kinderbetreuung in Kemmern. Ein Mehrgenerationenhaus, wie Herr Dippold dies selbst bezeichnete.
Kontrovers wurde das Thema ICE-Ausbau, bzw. Bahnübergang diskutiert. Rüdiger Gerst schilderte chronologisch und mittels von Schaubildern, wie es zur jetzt zu bauenden Überführung gekommen ist und beanspruchte für sich, in dem schwierigen Verfahren sei viel erreicht worden. So seien Verbesserungen am Lärmschutz entlang der Gleise erreicht worden. Außerdem werde die neue Autobahnbrücke so gebaut, dass ein Lärmschutz nachgerüstet werden kann.
Im Hinblick auf die Überführung argumentierte Gerst, dass es über 500 Einwände von Bürgern gegen die Pläne der Bahn gegeben habe und 465 Bürger einen Ersatz des Bahnübergangs gefordert hätten. Die Feststellung aus dem Publikum, dass diese Bürger lediglich über die Gleise wollten und ob es nicht eine Fahrradüberführung getan hätte, während der landwirtschaftliche Verkehr über Gundelsheim oder Breitengüßbach geführt werden könne, sorgte für lautstarke Unmutsäußerungen.
Anmerkung: leider ist die Frage nicht unberechtigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Gemeindegebiet jenseits der Bahntrasse jemals baulich erschlossen wird, ist auch aufgrund der Bodengegebenheiten entlang der Trasse was im Übrigen der Grund war, weshalb keine Unterführung gebaut werden konnte - verschwindend gering. Daher stellt sich durchaus die Frage, ob es für die Gemeinde wirtschaftlich und die dörfliche Gemeinschaft gerecht sein kann, eine Million Euro (1/3 der gesamten Baukosten von rund 3 Mio. Euro hat die Gemeinde zu tragen) auszugeben, nur damit einige wenige Landwirte und Grundstücksbesitzer eine Zeitersparnis von 10-15 Minuten bei der Zufahrt zu ihren Grundstücken haben, während für die Zukunft der Gemeinde existenziell wichtige Maßnahmen, wie die Erschließung des Baugebiets Bettelweg, dafür auf der Strecke bleiben.
Auch wundern wir uns darüber, warum Herr Gerst auf Nachfrage aus dem Publikum die jährlichen Instandhaltungskosten mit etwa 8.000€ pro Jahr beziffert, obwohl allgemein verlässliche statistische Daten (bestätigt von Universitäten und Hochschulen) die durchschnittlichen Instandhaltungs-kosten von Brückenbauten auf 1-2% p.a., sprich 30.000-60.000€ pro Jahr angeben.
Weiter ist noch komplett unbeantwortet, wer die Kosten einer Generalsanierung bezahlt? Trägt die Gemeinde hier 100% der Kosten, oder beteiligt sich auch Bahn und Regierung?
Die Wählergruppe Zukunft für Kemmern hat auf ihrer Homepage vom 01.07.2014 bis 01.08.2014 eine nicht repräsentative Umfrage durchgeführt. 545 Bürger gaben dabei an, dass sie mit dem Fahrrad oder zu Fuß über den Bahnübergang wollen, 125 gaben an, dass ihnen eine Überführung nicht wichtig sei und sie andere Übergänge nutzen wollen, 65 Bürger gaben an, mit dem Auto kreuzen zu wollen und 12 Bürger gaben an, mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen über die Brücke zu wollen. Damit haben insgesamt 77 Bürger angegeben, motorisiert über die Brücke zu wollen. Nehmen wir an, dass tatsächlich alle 77 Bürger jeden Tag im Jahr einmal über die Brücke und wieder zurück fahren, kostet damit eine Überfahrt bei nur 1% Instandhaltungskosten p.a. den Kemmerner Steuerzahler 53 Cent. Nehmen wir die realistischere Variante an, nämlich, dass die 65 Autofahrer die Brücke nicht notwendigerweise bräuchten und nur aus Opportunität mit dem Auto fahren würden, weil die Brücke nun einmal da ist, kämen wir auf Kosten von 3,50€ pro Überfahrt für den landwirtschaftlichen Verkehr, wenn jeder Landwirt tatsächlich einmal am Tag fährt.
Wir bitten jeden Bürger, selbst die Verhältnismäßigkeit dieses Zustands zu prüfen und sich seine eigene Meinung darüber zu bilden, ob diese Brückenlösung, so wie Rüdiger Gerst behauptet, tatsächlich die beste Lösung für Kemmern ist.
Als weiteren Erfolg verbuchte Gerst, dass es ihm auf politischen Wege gelungen sei, den Lärmschutz an der Autobahn wieder auf die Agenda zu holen.
Anmerkung: hier möchten wir uns v.a. bei Bernhard Dittrich bedanken, der auf Nachfragen unserer Wählervereinigung "Zukunft für Kemmern" empfohlen hatte, die Induktionsschleifen am Bamberger Kreuz auswerten zu lassen. GR Dr. Oliver Dorsch brachte diese Empfehlung in den Gemeinderat ein und damit den Ball ins Rollen, denn die Auswertung der Daten gab letztendlich eine Projektion des Lärmpegelanstiegs um mehr als die notwendigen 2 dBA her.
Der Rest der Veranstaltung verlief in ruhigeren Bahnen und Rüdiger Gerst informierte im weiteren Bericht über die Ausgaben und Einnahmen des vergangenen Jahres. Erwähnenswert ist hier v.a. das neue Kletter- und Spielgerüst im Kindergarten.
Zum Thema Hochwasserschutz in Kemmern noch eine Anmerkung: Herr Gerst erklärte, dass für die Gemeinde Planungskosten (!) von rund 320.000€ (?) zu bezahlen sind. In den Protokollen der öffentlichen Sitzungen des Gemeinderates vom 23.03.2006 ist zu lesen, dass das Gesamtprojekt mit rund 2,6 Mio. Euro beziffert wird. Der Gemeindeanteil liegt, so das Protokoll bei rund 470.000€. Nun sei die Frage erlaubt, welche Gesamtkosten JETZT auf die Gemeinde zukommen. Im Protokoll von 2006 ist bereits festgehalten, dass die Durchführung dieser notwendigen Maßnahme für 2010 planbar wäre. Warum hat man schon damals nicht dieses wichtige Thema aufgegriffen und durchgeführt. Finanzierung und Ausführung wären dann heute schon erledigt.
Auch zu diesem Thema können wir festhalten, dass seitens der Gemeinde und des Bürgermeisters über Jahre hinweg keine nennenswerten Aktivitäten in Angriff genommen worden sind - jetzt muss die Kemmerner Bevölkerung deutlich tiefer in die Tasche greifen ...
In der anschließenden Fragerunde bewegte die Bürger v.a. die Umstellung des Busverkehrs. Viele Schüler hätten nun, auch aufgrund eines Wegfalls der Haltestelle Lange Straße, Schwierigkeiten pünktlich in die Schule, bzw. bei Freistunden oder früherem Unterrichtsende zügig nach Hause zu kommen. Herr Gerst versprach, sich hier für eine gangbare Lösung einzusetzen.
Ein Bürger bezog sich nochmal auf die Aussage von Herrn Dippold zum Thema Kindergartenneubau durch die AWO und fragte den Bürgermeister, ob diese nicht eine Konkurrenz für den bestehenden Kindergarten darstellt und ob Kemmern für zwei Einrichtungen überhaupt geeignet sei. Herr Gerst erwiderte dies mit dem Gebot der Pluralität, dass die Gemeinde als zuständige Institution eben auch verpflichtet sei, mehrere Angebote und Lösungen zu prüfen.
Anmerkung: Gegen 22:45 Uhr endete diese Bürgerversammlung - man könnte diese auch fast als Bürgermeistervortrag bezeichnen. Aufgrund der vorgerückten Stunde wurden leider keine wesentlichen Fragen mehr gestellt. Herr Gerst hat es ja in der Hand, eine weitere Bürgerversammlung anzubieten. Die Bevölkerung hat dann ausreichend Zeit Fragen zu stellen. Bleiben wir gespannt!
Tagesordnung
1. Information über die Asylsituation in Kemmern
2. Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Schiene Nr. 8, Planfeststellungsabschnitt 23/24 Hallstadt-Zapfendorf
Vorstellung des Inhalts des Planfeststellungsbeschlusses vom 30.07.2015
unter Berücksichtigung der Einwände der Gemeinde
3. Allgemeiner Bericht und Ausblick
4. Diskussion, Wünsche und Anregungen
Alle Bürgerinnen und Bürger sind herzlich zur Teilnahme eingeladen.
Bürgermeister Gerst gibt im Rahmen der Gemeinderatsitzung am 17.09.2015 bekannt, dass am Montag, 05.10.2015 19:00 Uhr im Sportheim des SC Kemmern eine Bürgerversammlung stattfindet.
Es besteht in diesem Rahmen die Möglichkeit als Bürger Fragen zu stellen, Stellungnahmen abzugeben und Wortbeiträge zu liefern. Machen Sie von Ihrem Recht gebrauch und besuchen Sie die Bürgerversammlung.
Haben Sie vorab Fragen oder Themen, so sprechen Sie uns gerne an!